Als ich vor Jahrzehnten meine erste Fliegenrute kaufte, besaß sie zeitgemäß ganz selbstverständlich einen Blank aus Glasfaser. Doch schon bald rückten die neuen Kohlefasermodelle ins Licht und weckten mit teils schnelleren Aktionen und besonders geringem Gewicht einige Begehrlichkeit. Kein Wunder, dass ich bald auf Carbon umstellte. Danach vergingen Jahrzehnte, bis wieder Glasfaser-Fliegenruten wirklich namhafter Unternehmen auf den Markt kamen.
Äschen bilden eine Paradedisziplin für die Orvis-Glasfaserruten.
Meine Wahl fiel schließlich auf die neue dreiteilige Orvis »Superfine Glass« in Schnurklasse 3 bei 7 Fuß beziehungsweise 210 Zentimeter Länge. Passend dazu wählte ich die Orvis »CFO II«, wie die Rute made in USA, auf die ich eine WF 3 F der Orvis »Hydros Superfine«-Schnurserie spulte. Ein gezogenes Vorfach mit 0,12er Spitze komplettierte das Setup. Der erste Test sollte im Oktober beim Äschenfischen in Oberösterreich an der Mühlheimer Ache stattfinden, genaugenommen an der Strecke des Hotel Forstinger.
Beim Montieren bereitet mir die Rute einige Freude. Ursache ist das zum Rutenblank passende, hochwertig gestaltete Rutenrohr samt optisch ebenfalls ansprechendem Futteral. Alles in dezenten Farben, wie ich es generell mag. Das gilt genauso für die Rute: Schlichter, hell olivfarbener Blank, braune Ringwicklungen, Einhängeöse, reversed Half-Wells-Korkgriff von sehr guter Qualität und ein nach oben schließender Rollenhalter: Unauffällig und auf das Wesentliche begrenzt – schön! Vom Gewicht her ist sie nur einen Tick schwerer als eine Graphitrute, was in der Praxis keine ernsthafte Bedeutung besitzt.
Bei den ersten Probewürfen zeigt sich, dass sich die Rute in der oberen Hälfte vergleichsweise geschmeidig, »weich« wäre das falsche Wort, präsentiert, jedoch ohne wabbelig zu wirken. Die untere Hälfte besitzt deutliche Kraftreserven, also insgesamt eine recht straffe Abstimmung. Als Carbonwerfer muss ich mich vor allem beim Timing schon etwas umstellen und der Schnur mehr Flugzeit einräumen. Aber nach etwa einer halben Stunde harmonieren Rute und Wurftechnik bereits ganz ordentlich. 15 Meter Distanz lassen sich schließlich gut bewältigen, wobei das Einsatzgebiet der 3er Glass sicherlich in etwas kürzeren Schnurlängen liegt. Trotzdem ist diese Rute nicht nur für den Bach eine passende Wahl, sondern auch für kleinere bis mittelgroße Flüsse.
Für den ersten Praxisversuch stehe ich schräg unterhalb einer vielleicht nur zwei Meter breiten Rinne, die von einer Kiesbank vom eigentlichen Fluss getrennt wird. Da keine steigenden Fische auszumachen sind, fällt meine Wahl auf einen 16er »Killer Bug« – etwas ohne Goldkopf macht zu fortgeschrittener Saison häufig Sinn, da die Fische reichlich Goldköpfe gesehen haben.
Zunächst steigt am Übergang zum breiteren Wasser eine Bachforelle im Jugendalter ein – naja, immerhin geht etwas. Über die nächsten Würfe arbeitete ich mich weiter in die Rinne hinein. Schließlich setzte ich die Fliege wenige Zentimeter vor einem überhängenden Zweig auf, wobei die Möglichkeiten der Rute zu sehr genauen Würfen schätzte. Nach etwa zwei Metern Drift bleibt die Schnurspitze stehen: Anhieb, Kontakt. Jetzt verbeugt sich die Orvis schon tiefer und kurz darauf halte ich eine Äsche von etwa 32 Zentimetern in der Hand. Wow, mit der Rute hatte der Fisch richtig was hergemacht, ohne dass die Superfine irgendwie schwächlich wirkte.
Eine 40-Zentimeter-Forelle kann sich absolut sehen lassen.
Es ist der Tag der Nymphe, da sich mit der Trockenfliege auch kein Fisch zum Steigen provozieren lässt. Nach weiteren Fischen fahre ich am späteren Nachmittag an die Antiesen, ein weiteres Forstinger-Revier. Unter einem Wehr gibt es hier stromauf gesehen rechts einen tiefen Turbinenauslauf, in dem eine leichte Fliege ganz klar fehl am Platz wäre. Also setze ich auf ein schweres Geschoss mit einem 3,6 Millimeter großen Wolfram-Kopf – ohne Frage Heavy metal in Reinkultur.
Die Superfine Glass im Stress-Test.
12er Vorfach, 50er Forelle, nicht unbedingt ein Widerspruch.
Mit 50 Zentimeter Länge liefert die herrliche, starke Regenbogenforelle endgültig den Beweis, dass die Rute selbst beim Fischen mit sehr feinen Vorfächern auch große Gegner bezwingen kann. Von wegen Oldschool – es ist eine moderne Rute mit einem überraschend weiten Einsatzspektrum, mit der man eine Carbonrute nicht wirklich vermisst.
Frank Weissert
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